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Niemand darf durchs Raster fallen Welttag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar: Diakonie Hessen mahnt, in der Corona-Krise niemanden zurückzulassen

2009 wurde der Welttag der sozialen Gerechtigkeit von den Vereinten Nationen (UNO) ins Leben gerufen, um jährlich am 20. Februar an das Leitbild der sozialen Gerechtigkeit in Gemeinschaften zu erinnern.

2009 wurde der Welttag der sozialen Gerechtigkeit von den Vereinten Nationen (UNO) ins Leben gerufen, um jährlich am 20. Februar an das Leitbild der sozialen Gerechtigkeit in Gemeinschaften zu erinnern. Die Diakonie Hessen nimmt den Tag zum Anlass und ruft dazu auf, sich gerade in Zeiten der Pandemie auch in Hessen aktiv zur Verwirklichung dieses Ziels einzusetzen. „Wir wünschen uns gerade in diesen Zeiten eine inklusive Solidarität, die sich ganz besonders um ärmere und sozial ausgegrenzte Menschen kümmert. Niemand darf jetzt durchs Raster fallen“, sagt Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen. Um das zu erreichen, seien sowohl Politik, Gesellschaft, wie auch jede*r Einzelne gefordert, so der Vorstandsvorsitzende weiter.


Diakonische Beratungs- und Unterstützungsstellen vor Ort verzeichnen erhöhten Bedarf in der Corona-Krise
So gibt der Blick in die vielen regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen der Diakonie Hessen durchaus Anlass zur Sorge. Seit fast genau einem Jahr beeinflusst die Pandemie das soziale Leben in Hessen maßgeblich. Besonders betroffen sind unter anderem ärmere und einkommensschwache, geflüchtete oder obdachlose Menschen. Auch Alte, Menschen mit Behinderungen und Alleinerziehende sind überproportional belastet. „In der Wohnungsnotfallhilfe beispielsweise mussten Tagesaufenthalte zeitweise schließen oder konnten nur für deutlich weniger Personen geöffnet werden. Gleichzeitig fallen für die Menschen existenzsichernde Einnahmequellen wie Flaschensammeln oder Straßenzeitungsverkauf weg“, gibt Stefan Gillich, Leiter der Abteilung Existenzsicherung bei der Diakonie Hessen, zu bedenken. „Da Behörden wie die Jobcenter für den Publikumsverkehr flächendeckend geschlossen sind, kommen noch mehr Menschen als sonst in die diakonischen Beratungsstellen, weil sie Hilfe bei der Vereinbarung von Terminen bei Ämtern, bei der Beantragung von Mitteln und beim Ausfüllen von Formularen benötigen“, stellt Gillich fest. Auch in den Bahnhofsmissionen ist vielerorts nur ein „Notprogramm“ möglich. Heiße Getränke oder Speisen werden über das Fenster nach draußen gegeben. Ein Aufenthalt ist für die Gäste wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt möglich. „Was fehlt, sind soziales Miteinander und Zusammensein. Damit fallen für etliche der Stammgäste die wichtigsten sozialen Kontakte des Tages einfach weg“, äußert sich Gillich besorgt. In der sozialen Arbeit mit Geflüchteten ist es eine Herausforderung, wesentliche und sich ständig ändernde Informationen, beispielsweise zur Vergabe von Impfterminen, über Sprachgrenzen hinweg rechtzeitig an alle Menschen zu kommunizieren.
Schuldnerberatungsstellen verzeichnen zudem vermehrt Anfragen von Solo-Selbstständigen und Erwerbstätigen aus dem Kultur-, Event- oder Gastronomiebereich, die durch die Krise in die Armutsgefährdung abgerutscht sind. Gleichzeitig erzeugt Armut für viele Betroffene oftmals Gefühle von Scham und Hilflosigkeit. Die Hemmschwelle, sich an Beratungsstellen oder gemeinnützige Organisationen zu wenden, ist dann häufig hoch. „Das – so meine Einschätzung – ist das größte Problem: Menschen, die bedürftig und benachteiligt sind, werden leiser, ziehen sich zurück, sind (noch) weniger spürbar“, sagt Diakon Christof Mayer, Leiter der Tafel und diakonische Projekte in Wetzlar. 


Geflüchtete Menschen dürfen nicht vergessen werden
Andreas Lipsch, Leiter der Abteilung Flucht, Interkulturelle Arbeit, Migration appelliert, bei aktuellen Hilfsmaßnahmen geflüchtete Menschen nicht zu vergessen. Geflüchtete haben zum Bespiel keinen Anspruch auf kostenlose medizinische Schutzmasken über die Krankenkassen. Dabei sind es gerade Geflüchtete und Migrant*innen, die aufgrund ihrer Lebensumstände, der beengten Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften und dem erschwerten Zugang zu Informationen von der Pandemie besonders schwer betroffen sind. „Es ist fatal, wenn Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung in Zeiten von Corona von den Hilfen für in Armut lebende Menschen in Deutschland ausgeschlossen werden. Wer in Deutschland lebt, sollte unabhängig vom Status, das erhalten, was armen Menschen zukommt. Gesellschaftliche Solidarität muss alle umfassen und darf keine Gruppen ausschließen“, so Lipsch.

 

Manches erreicht, vieles bleibt zu tun 
„Hoffnung mache dagegen das große Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer*innen, die in Bahnhofsmissionen, den Tafeln und anderen sozialen Einrichtungen unermüdlich im Einsatz seien, um von Armut und Ausgrenzung betroffene Menschen auch während der Krise zu unterstützen“, erklärt Carsten Tag. „Hier wird Nächstenliebe im besten Sinne praktiziert.“

„In Begegnungsstätten und anderen Treffpunkten des Gemeinwesens wurden von Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen viele ausgefallene Ideen entwickelt, um weiterhin für die Menschen da zu sein“, berichtet Uwe Seibel, Referent für Gemeinwesenarbeit bei der Diakonie Hessen. Auch über das spendenbasierte Diakonie-Projekt #wärmespenden konnten bereits über 1.000 Schlafsäcke als Erfrierungsschutz an obdachlose Menschen in Hessen verteilt werden.

Um dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit näher zu kommen, sind aus Sicht der Diakonie Hessen aber weitere politische Anstrengungen dringend notwendig. „Die meisten Themen sind nicht neu, sie wurden nur durch die Pandemie und ihre Folgen besonders sichtbar“, ergänzt Dr. Melanie Hartmann, Referentin für Armutspolitik bei der Diakonie Hessen. „Das reicht von fehlenden Sozialwohnungen oder bezahlbarem Wohnraum über zu niedrige Regelsätze der staatlichen Transferleistungen bis hin zu erschwerten Teilhabemöglichkeiten und geringeren Bildungschancen für Kinder und Jugendliche aus einkommensärmeren Familien“, so Hartmann.

 

Auch der Blick über den eigenen Tellerrand ist notwendig
Als äußerst problematisch mahnt die Diakonie Hessen auch den gegenwärtigen Impf-Nationalismus der Bundesregierung an. „Momentan sieht es danach aus, dass die reichsten Staaten der Welt, den Großteil der verfügbaren Impfstoffe unter sich aufteilen. Es kann nicht sein, dass Menschen in ärmeren Ländern keine Möglichkeit bekommen, sich vor dem Virus zu schützen. Es ist außerdem illusorisch zu denken, dass man eine globale Pandemie ohne globale Strategien bekämpfen kann“, sagt Carsten Tag. „Auch hier sind globale Solidarität und eine weltweit gerechte Verteilung der Vakzine, am besten über die Weltgesundheitsorganisation, dringend notwendig“.

 

„Der Welttag der sozialen Gerechtigkeit ist also ein guter Anlass, kritisch zu fragen, was noch zu tun bleibt, um die verletzlichsten Mitglieder der Weltgesellschaft bestmöglich zu unterstützen und dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit in Hessen und darüber hinaus näherzukommen“, fasst Carsten Tag zusammen.   

 

Kontakt

Dr. Melanie Hartmann

Referentin für Armutspolitik

Tel.: 069 7947-6272

E-Mail: melanie.hartmann@8< SPAM-Schutz, bitte entfernen >8diakonie-hessen.de

 

Weitere Informationen zur Diakonie Hessen unter www.diakonie-hessen.de