"Eklatante Missachtung von Humanität und Menschenrechten"
Am 9. März startet der nächste Flieger nach Afghanistan! Diakonie in RLP, Flüchtlingsrat RLP und Initiativausschuss: Integrationsministerium RLP muss bereits erteilte Zustimmungen erneut überprüfen und zurücknehmen.
Am 9. März 2021 startet nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen der insgesamt 37. Abschiebeflug nach Afghanistan seit Ende 2016. Er wird Menschen, die in Deutschland vergeblich Schutz gesucht haben, zwangsweise in ein Land zurückführen,
- in dem die Gewalt nach UNO-Informationen in allen Regionen seit Ende 2020 noch einmal dramatisch zugenommen hat;
- das vom Robert-Koch-Institut derzeit als „Covid-19- Risikogebiet“ ausgewiesen wird;
- das zu verlassen das Auswärtige Amt in seinen aktuellen „Reise- und Sicherheitshinweisen“ alle deutschen Staatsbürger*innen auffordert;
- in dem nach Zahlen des Welternährungsprogramms ein Drittel der Bevölkerung Hunger leidet;
- in dem laut Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auch alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Männer nach ihrer Abschiebung regelmäßig keine Möglichkeit haben, ihre elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene auf legalem Weg zu befriedigen.
„Ein Bundesland, dessen Landesregierung sich einer ‚humanen Flüchtlingspolitik‘ verschrieben hat, darf Menschen nicht nach Afghanistan abschieben“, fordert Albrecht Bähr, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz. „Die Beteiligung rheinland-pfälzischer Ausländerbehörden am letzten Abschiebeflug Anfang Februar 2021 kritisieren wir deshalb ausdrücklich als eklatante Missachtung von Humanität und Menschenrechten“, so Bähr weiter.
In Rheinland-Pfalz bedarf die Abschiebung nach Afghanistan in jedem Einzelfall der Zustimmung des zuständigen Integrationsministeriums. Nach Auskunft des Ministeriums aus November 2020 waren zu diesem Zeitpunkt insgesamt 9 afghanische Staatsangehörige aus Rheinland-Pfalz bei der Bundespolizei zur Rückführung nach Afghanistan angemeldet. Sie könnten, so das Ministerium weiter „bei künftigen Flügen berücksichtigt werden.“
„Wir fordern die Landesregierung und das zuständige Integrationsministerium dazu auf, die im November 2020 bereits erteilten sowie ggf. weitere seitdem erteilte Zustimmungen zu Abschiebungen im Lichte der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan erneut zu überprüfen,“ verlangt Pierrette Onangolo, Geschäftsführerin des AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V..
So hat auch das Bundesverfassungsgericht in einem Eilrechtsbeschluss vom 9. Februar 2021 (2 BvQ 8/21) im Falle einer drohenden Abschiebung nach Afghanistan ausdrücklich festgehalten, dass „Behörden und Gerichte (...) sich bei der Beantwortung der Frage, ob ein Antragsteller in ein Land abgeschoben werden darf, (…) laufend über die tatsächlichen Entwicklungen unterrichten (müssen) und nur auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse entscheiden (dürfen)“.
Diese verfassungsrechtliche Verpflichtung muss nach Überzeugung von Diakonie in RLP, AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP e.V. und Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP zu einer erneuten Überprüfung der zum Teil bereits vor Monaten vom Integrationsministerium erteilten Zustimmungen führen.
„Bei sachgerechter Würdigung der aktuellen Entwicklungen vor Ort muss diese Überprüfung dazu führen, diese Zustimmungen wieder zurückzunehmen und auf Abschiebungen aus Rheinland-Pfalz nach Afghanistan ausnahmslos zu verzichten“, so Torsten Jäger, Geschäftsführer des Initiativausschusses für Migrationspolitik in RLP.