Armut und Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe
Menschen mit Armutserfahrungen fordern eine Armutswende in der nächsten Legislaturperiode.
Über 100 engagierte Menschen mit Armutserfahrung aus ganz Deutschland haben beim 17. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung in Berlin eine klare Botschaft an die Politik gerichtet: Es braucht dringend spürbare Verbesserungen für Menschen, die in Armut leben, und wirksame Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Vor allem auch mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl war die einhellige Meinung der Versammlung unmissverständlich: Die Bekämpfung von Armut und die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen müssen zwingend in die Wahlprogramme aller Parteien aufgenommen werden.
Während der zweitägigen Veranstaltung, die vom 14. bis 15. November im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung stattfand, kamen die Teilnehmer:innen mit verschiedenen Bundespolitiker:innen zusammen, um über drängende Herausforderungen und Lösungen zu diskutieren.
Im Fokus des Treffens standen die Punkte der Menschen für ein "Wahlprogramm zur Armutswende". Sie bewerteten die aktuelle Situation, die angekündigte Nullrunde beim Bürgergeld, die Verschärfung von Sanktionen, die Hetze gegen Menschen mit Armutserfahrung und die steigenden Lebensmittelpreise. So machten sich einige Beteiligte dafür stark, dass es für jeden Menschen eine warme Mahlzeit an jedem Tag geben solle. Das kostenfreie Schulessen soll als Teil der Lernumgebung und des Erlebens gesellschaftlichen Zusammenhalts deutschlandweit eingeführt werden.
In allen Gesprächen tauchte ein Thema immer wieder auf: Bezahlbares Wohnen. „Dass die Ampel-Koalition nicht einmal minimalste Verbesserungen im Mietrecht und zum Schutz vor Wohnungsverlust umgesetzt hat, enttäuschte viele hier sehr“, so Michael Stiefel, Koordinator des Treffens der Menschen mit Armutserfahrungen und Mitarbeiter der Diakonie Deutschland. Ein wohnungsloser Teilnehmer des Treffens – Hartmut Nölling – hat u.a. deshalb sein Vorhaben, als Einzelkandidat zur Bundestagswahl anzutreten, präsentiert. „Wohnungslosigkeit ist viel zu wenig repräsentiert im Deutschen Bundestag. Mit meiner Kandidatur will ich aufrütteln, dass hier endlich Wirksames passiert“, formuliert er seine Motivation. Durch den vorgezogenen Wahltermin sei die Kandidatur für ihn als wohnungsloser Mensch allerdings deutlich schwieriger geworden.
Teilnehmer Karsten Dunzweiler sah sich nach mehrjähriger Wohnungslosigkeit mit erheblichen Schulden aus der Krankenversicherung konfrontiert: „Es kann nicht sein, dass man so leicht den Schutz der Krankenversicherung verliert und es so viele Menschen gibt, die nicht krankenversichert sind oder keinen Anspruch auf Leistungen haben.“
Die Altersarmut der Teilnehmerin Gisela Brauhaus aus Köln resultiert aus ihrer Zeit als pflegende Angehörige: „Ich habe jahrelang meinen bettlägerigen Vater gepflegt. Jetzt bin ich selbst arm.“ Hier will sie sich engagieren. Der Veränderungsbedarf ist immens und das Thema bewegt immer mehr Menschen. Mit Gedichten über die Situation bringt sie ihren Protest zum Ausdruck, wo immer sie kann.
Die Teilnehmer:innen des Treffens betonten, dass es ihnen nicht nur um kurzfristige Lösungen geht, sondern um nachhaltige Strategien, die langfristige Verbesserungen für alle von Armut Betroffenen bringen. Das Treffen der Menschen mit Armutserfahrung bietet eine wichtige Plattform für den Austausch und die Vernetzung von Betroffenen und Entscheidungsträger:innen und setzt ein starkes Zeichen für die Notwendigkeit politischer Maßnahmen gegen Armut.
Das Treffen wird am Freitagabend mit einem musikalischen Manifest des Komponisten Dr. Martin Krämer Liehn enden. Musiker:innen werden die Forderungen der Teilnehmenden mit Cello, Fagott, Posaune, Pauken und Sprechchören intonieren: "Wir spielen uns auf – zur #Armutswende".